© Screenshot/Reclaim Your Face

Netzpolitik

Europaweite Bürgerinitiative gegen Gesichtserkennung gestartet

In Europa gibt es seit längerem in mehreren Ländern Pilotprojekte, die sich mit Gesichtserkennungstechnologien im öffentlichen Raum befassen. In Österreich wird Gesichtserkennung etwa bereits von der Polizei eingesetzt, um Bilder aus Kameras mit jenen aus der Datenbank der Polizei abzugleichen, um damit Verdächtige zu identifizieren. Die Technologie wurde auch bereits dazu eingesetzt, um Bilder von Demonstranten mit dieser Datenbank abzugleichen.

Die Bürgerinitiative „Reclaim your Face“ setzt sich nun für ein Verbot von Gesichtserkennung an öffentlichen Plätzen innerhalb der Europäischen Union (EU) ein und ging am Dienstag offiziell an den Start. Unterstützt wird die Initiative von rund 40 Bürgerrechtsorganisationen und Vereinen, darunter etwa in Österreich von Epicenter.works und in Deutschland vom Chaos Computer Club (CCC).

„Biometrische Überwachung bringt allgegenwärtiges Tracking, so wie wir es im Internet kennen, in die Offline-Welt“, sagt Matthias Marx, CCC-Sprecher. „Damit könnten wir uns nirgendwo mehr frei und unbeobachtet bewegen.“

Eine Million Unterschriften notwendig

Durch Nutzung von Gesichtserkennungstechnologien im öffentlichen Raum ist es den Behörden so möglich, Personen eindeutig zu identifizieren und ihren Aufenthaltsort genau nachzuverfolgen. Schafft es die Bürgerinitiative, innerhalb von 12 Monaten über eine Million Unterschriften zu sammeln, muss die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag zu einem Verbot biometrischer Massenüberwachung vorlegen.

Die Technologie hat in den USA bereits mehrfach dazu geführt, dass Personen einer Straftat bezichtigt worden sind, die sie gar nicht begangen haben. Das liegt daran, dass Gesichtserkennungstechnologie nicht fehlerfrei arbeitet und oft einen eingebauten „Bias“ hat. Frauen und nicht-weiße Menschen werden von den Systemen oft schlechter identifiziert. In den USA mussten deshalb auch schon Unschuldige ins Gefängnis.

Das Problem mit den Treffern

In Deutschland hat es in der Vergangenheit etwa bereits einen Versuch der Bundespolizei am Berliner Bahnhof Südkreuz mit Gesichtserkennung gegeben. Dieser hatte laut Angaben der Polizei eine Trefferquote von 80 Prozent. Das heißt, von je 10 Testpersonen sollen 8 richtig erkannt worden sein. Gleichzeitig sollen die Systeme eine Falsch-Alarm-Rate von unter 0,1 Prozent gezeigt haben. Das bedeutet, dass von je 1000 Menschen 999 unverdächtig seien und einer unschuldig war, aber fälschlicherweise vom System verdächtigt wurde.

Das bedeutet nach einer Analyse von wissen.de allerdings, dass bei 11,9 Millionen Bahnreisenden pro Tag in Deutschland das System täglich bei 11.900 Menschen fälschlicherweise Alarm schlagen würde. Nun sollen in Deutschland an Bahnhöfen aber weitere Versuche, die auch das Verhalten eines Menschen mitberücksichtigen, folgen.

Menschenrechtsorganisationen warnen daher seit längerem vor dem Einsatz biometrischer Überwachungstechnologien. „Die Europäische Union muss dringend die Gefahren erkennen, die der Einsatz biometrischer Massenüberwachung mit sich bringt. Mit den geplanten Gesetzen zum Einsatz von künstlicher Intelligenz hat die Kommission die Chance, den zahlreichen Warnungen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen Gehör zu verleihen, und den Einsatz dieser extrem fehleranfälligen Technologien zu verbieten“, sagt Patrick Breyer, deutscher Parlamentsabgeordneter der Grünen-Fraktion und Piratenpartei.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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