Die Protestgruppe „Letzte Generation“, die durch ihre markanten und oft kontroversen Aktionen auf die Dringlichkeit des Klimawandels aufmerksam gemacht hat, hat kürzlich in den Sozialen Medien das Ende ihrer Aktivitäten bekannt gegeben. Die Ankündigung markiert das Ende eines Kapitels in der Geschichte des zivilgesellschaftlichen Engagements für den Umweltschutz und wirft nicht zuletzt auch Fragen über die zukünftige Richtung des Klimaaktivismus auf.
Mit den Worten „ENDE DER PROTESTE – Wir haben vielfältig protestiert, trotz Hass und Morddrohungen weitergemacht. Die Regierung nimmt in Kauf, für den Tod von Milliarden Menschen verantwortlich zu sein. Die Gesellschaft hat versagt. Dieses Projekt endet. Der Widerstand bleibt“, hat eine der aufsehenerregendsten aktivistischen Gruppe ihre Auflösung auf X (vormals Twitter) verkündet.
Politikwissenschaft erwartet „neue Formen“ des Protests
Dass der Widerstand bleiben dürfte, erwartet auch Franz Kok, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Salzburg. „Diese Gruppierung war auf jeden Fall ein Anlauf der jungen Generation, sich zu den Themen, die sie bewegen, zu äußern und auf diese aufmerksam zu machen“, erklärt er im SALZBURG24-Gespräch am Dienstag. Es herrsche zum Teil gerade unter den Jüngeren eine gewisse Frustration und künftig dürften sich „neue Formen entwickeln, wie sich diese äußert.“
Durch die vielfältigen Protestaktionen von Bewegungen wie „Letzte Generation“ oder „Fridays for Future“ hätten viele Menschen mit ähnlichen Anliegen erst eine Ausdrucksform gefunden. Dabei fühle sich der Politik-Experte an frühere Zeiten erinnert, wie er schildert. „Solche Besetzungen oder derartigen zivilen Ungehorsam haben wir in Österreich davor sehr lange nicht mehr gesehen – gefühlt seit Mitte der 1980er-Jahre, als die Hainburger Au an der Donau besetzt wurde.“ Die Flusslandschaft in Niederösterreich wurde im Jahr 1984 von Aktivist:innen besetzt, um den Bau eines Wasserkraftwerkes zu verhindern.
„Letzte Generation“ habe politischen Ausdruck mitgeprägt
Dass für Umweltthemen derartige Ressourcen mobilisiert werden, zeige laut Kok auch das enorme Politisierungspotenzial solcher Anliegen. Und dieses werde durch das Ende einer Gruppierung nicht vergehen: „Es wird weiterhin ein Aufbäumen geben“, ist sich der Wissenschafter sicher. Letztlich hätte die Gruppierung auch als Weichensteller fungiert und in den vergangenen Jahren die Haltung und politische Artikulation vieler Menschen geprägt. In welcher Form das künftig auftreten könnte, sei aber noch nicht vorherzusehen.
Was das Aus von „Letzte Generation“ für die Politik bedeutet
Im Hinblick auf die im September anstehende Nationalratswahl erwartet Kok ebenfalls Reaktionen. „Die Parteien werden reagieren, sowohl Befürworter als auch Gegner der Bewegung.“ Gerade die Grünen, die sich am ehesten mit derartigen Protestbewegungen solidarisieren, müssten dies zum Anlass nehmen, sich Gedanken zur Mobilisierung von Wähler:innen zu machen. Tatsächlich weniger positiv könnte das Aus von „Letzte Generation“ für Parteien ausfallen, die sich gegen den Aktivismus gestellt haben. „Diese haben jetzt einen großen Gegenspieler verloren und einen politischen Feind besiegt – zumindest scheinbar“, erklärt der Experte. Dieses vermeintliche Feindbild habe „sicher für viele die Wahlentscheidung maßgeblich beeinflusst.“
Letztlich hätte die Wirkung von „Letzte Generation“ zwei Seiten: Zum einen habe sich die Bewegung durch die enorme Aufmerksamkeit und Polarisierung Gegner geschaffen, die sich bewusst gegen den Klimaschutz als politisches Thema stellen. Zum anderen sei das Thema Klimaschutz und drastischere Formen des Protests wieder ins Augenmerk vieler gerückt. Laut Einschätzung Koks hätte die Gruppierung, gerade, weil sie so polarisiert hat, auch erfolgreich agiert: „Eine Vielzahl an Akteuren und die nötige Aufmerksamkeit sind ein bewährtes Rezept für gelungenen Protest. Es wäre naiv zu glauben, dass dieses Phänomen nicht fortgesetzt wird.“
Seit ihrer Gründung im Jahr 2021 hat die Protestbewegung vor allem durch ihre Klebe-Aktionen von sich Reden gemacht. So blockierten die Aktivist:innen etwa den Wiener Flughafen, das Parlament und auch die Staatsbrücke in der Stadt Salzburg.